Maschinist

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Die Maschine ist eiskalt. Vierzehn Stunden ohne übertragung. Wir müssen zurück ans Netz. Jetzt. Sofort. Das Kraftwerk scheint nicht getroffen worden zu sein. Ich kann die Generatoren surren hören.

Der Maschinenraum ist einzig in das fahle Licht des tödlich blinkenden Gleitzeigers getaucht. Zwei Hertz. Eigentlich eine schöne Frequenz. Eine entspannende Frequenz. Pulsierend. Wie das Blut in meinem Kopf. Noch.

Wir brauchen mehr Schwingung. Jetzt. Sofort. Alle Kabel überprüft, das Gehäuse fest verschraubt. Kraft durch Freude. Sie werden mich einfach ausschalten. Vielleicht haben sie genau das gerade vor. Die Tür wird mich nicht schützen. Niemand wird das. Die Russen senden noch immer mit voller Bandbreite. Ich muss zurück ans Netz. Jetzt. Sofort.

Die Kurzwellensignale des Duga-3-Systems schlagen unaufhaltbar mit 19 MHz ein. Durchdringen einfach alles. Jedes Organ, jede Zelle. Achtundzwanzig Jahre war es still, doch kurz bevor es los ging, konnte man sie wieder hören. überhorizontradare, gigantische Raketenabwehrsysteme nahe der verbotenen Zone bei Prypjat.

Das russische Sperrgebiet sendet zum zweiten Mal in unserem Jahrtausend seine tödlichen Strahlen zu uns aus. Germania kann das nicht erschüttern, sagen sie. Der Volksempfänger lügt nicht. Rund um die Uhr nicht.

Manuelle Abschaltung dem Volkskörper ohne die totale Beschädigung der Apparatur unmöglich gemacht. Und ohne Genehmigung des Ministeriums strengstens untersagt. Ohne Empfänger keine Kommunikation, ohne Kommunikation kein vierteltäglicher Bericht. Ohne Bericht Tod durch den Strang.

Das mobile Funkfernsprech-Endgerät ist die Braut eines jeden Volksgenossen. Du sprichst mit ihr, du schläfst mit ihr. Und wenn du morgens aufwachst, strahlt sie dich an.

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