Splendid Picture, of course!


Die eigene Handschrift

als Font für Text- und Bildbearbeitungsprogramme nachbauen, eine Schriftart ganz neu erfinden, einen zu teuren kaufbaren Font digital nachbauen - all das ist (fast) kein Problem und kostet nicht mehr als Zeit.


Ob das bei manchen Handschriften wünschenswert ist, steht auf einem anderen Blatt.


FontForge

ist das Mittel der Wahl, wenn die Wahl sonst nix kosten darf. Und man Zeitmillionär ist. Open Source Software hat zwar so ihre schwachen Momente, aber damit lassen sich erstaunlich gute Resultate erzielen. Beim Nachbau fremder Schriften darf man allerdings nicht einfach die original Outlines verwenden und bloß ein paar Pfade verschieben und man darf die Schrift auch nicht unter gleichem Namen raushauen, weil der meist als Marke eingetragen ist.

Moral und Ethik sind wirklich ganz reizende Worte, für 20 private Einladungskarten zahlen wir aber keine 80,- Euro für eine Schrift.


Die Schrifthäuser


lobbyieren momentan in alle Richtungen, weil ein Schriftdesign an sich bisher weltweit nicht als schützenswert angesehen wird und versuchen, uns Angst einzujagen mit obskuren Klauseln und aberwitzigen Behauptungen, die einer näheren juristischen Betrachtung selten Stand halten.

Mal soll die Schrift plötzlich eine Software sein, weil sie dann schützenswerter wäre (Kokolores, weil der Font nix kann, außer er selbst zu sein, Hinting hin oder her), mal soll die Schrift ein Kunstwerk mit Urheberrechtsschutz sein (bei einigen wenigen Fonts würden wir das sogar unterschreiben. Nach 4 Pimm`s Cups).

Wer ohne vorherige Alkoholaufnahme schon mal eine Schrift kaufen wollte, wird sich sehr wahrscheinlich über die frechen Bedingungen geärgert (von wegen nur auf einem Rechner, keine Weitergabe in PDFs oder generell, Kosten per pageview!, etc.) und sich dann seinen Diebstahlphantasien oder der Trunkenheit ergeben haben.

Das ist sicherlich unterhaltsam, aber unnötig. Jedenfalls dann, wenn es rein um die Schrift geht. Hat man die Schrift in FontForge fertig gebaut, sollte man spätestens jetzt die Flasche aber griffbereit haben.

FontForge bietet 2 Wege, um den Abstand der Buchstaben zueinander anzugleichen:


Metrics und Kerning.


Splendid Picture, of course!


Über die Metrics stellt man den freien Raum vor und nach einem Buchstaben ein. Damit kommt man bei Handschriften schon recht weit. Das Leerzeichen geht noch mal extra. Problematisch wird es beim Kerning: Hier kann man sozialethisch desorientierte Buchstabenpaare extra maßregeln, wie z.B. die Intensivstraftäter A und V, T und o, etc.


Warum ist das problematisch?


Weil manche Programme, die unsere Schrift hinterher verwenden sollen, faule oder dumme Säcke sind und nur Metrics auslesen und nicht die Kerning-Tabelle.

Man hat also 3 Möglichkeiten:

1.) Alles per Hand im jeweiligen Programm nachjustieren.
2.) Die Flasche leer machen, drauf scheißen und mit dem Schriftbild leben.
3.) Kompromisse bei den Metrics-Werten eingehen und darauf spekulieren, dass man schon nicht so oft reine Großbuchstaben verwendet, wo dann eine zu ausufernde Unterschneidung kacke aussieht.

Besteht der Font nicht nur aus eckigen Großbuchstaben, steht man knöcheltief beim Schnapshändler in der Kreide.

Bei ein paar Zeilen ist die Nachjustierung ja nicht so dramatisch, bei Fließtext ziehen ganz schnell ganz dunkle Wolken auf. Wer also in Zierschriften machen will, kann jetzt die Palette Pimm`s wieder abbestellen.

Unterschiede bei der Verarbeitung der verschiedenen Formate lassen manchen Telefonhörer dennoch nicht so schnell kalt werden. Meistens schlägt man sich ja mit den Hauptformaten rum:

1.) TTF
2.) OTF
3.) EOT
4.) WOFF, WOFF2
5.) SVG

Ach, was red` ich... Lasst die Palette ruhig kommen.


Entgegen anders lautender Behauptungen funktionieren folgende Programme nämlich nicht im Sinne des Erfinders, weil halt nicht wir die erfunden haben:


Anwendung / Metrics / Kerning-Tabelle


Firefox / Ja / Ja
Photoshop / Ja / Ja
Inkscape / Ja / Ja
GIMP / Ja / Ja
AI / Ja / Ja


IE / Ja / Nein
Safari / Ja / Nein
Chrome / Ja / Nein
Word / Ja / Nein
OpenOffice / Ja / Nein


Wo es funktioniert, geht es natürlich nur wegen unserer tollen, mühevoll angelegten Kerning-Tabellen. Oder weil das Programm halt ein brauchbares Auto-Kerning herzaubert. Ist ja auch wurscht, Hauptsache geht.

Hier kommen dann die positiven Seiten von Open Source zum Vorschein: Da muss man dann nicht monatelang die Hotline vollnölen, dass der Gates mal seinen Arsch hochkriegen soll. Oder besser doch: Nölt mal die Hotline voll, dass der Gates mal seinen Arsch hochkriegen soll.

Bei Open Source ist das ganz anders: Man muss zwar monatelang warten, bis der passende Spezialexperte mit seinem binge-watching durch ist, braucht aber nicht anzurufen.


Der Theorie nach


kann man in Word die Unterschneidung ab einem bestimmten pt-Wert aktivieren (unter Format/Zeichen/Zeichenabstand/Unterschneidung), das funktioniert bei uns nie.

Das Aktivieren schon, aber machen tut Word nix.

Man kann dann jeweils das Buchstabenpaar markieren und per Hand rüberschubsen (unter Format/Zeichen/Zeichenabstand/Laufweite=schmal), aber wenn man das nicht explizit markiert, wird das dem ganzen Text aufgenötigt und sieht wie aus?

Genau so.

Bei OpenOffice Writer funktioniert nicht mal das, denn trotz Markierung sieht auch der Rest des Wortes aus wie die Bananenausgabe in der DDR.


Gibt es denn gar nichts Erfreuliches?


Oh doch: Zu unseren Schriften noch a little Hintergrund.


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Kafka

Eigentlich eher als Zierschrift angedacht, findet sie mittlerweile auch Verwendung in unserem zwölften Buch "Agent der Realitäten". Ein wenig sehr bold, aber sexy. Absoluter Eigenbau, vorbildfrei geht aber ja beim besten Willen nicht. Wie nirgends in der Kunst.
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Metro

Ziemlich dünn dit Janze, allerdings nur vom Strich her. Schlank quasi und fast streng geometrisch. Und fast ein Monospace. Absoluter Eigenbau.
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Regular

Unsere Allzweckwaffe in der Art der Times, aber mehr subtil Bauhaus. Absoluter Eigenbau, mit einem Auge auf die Times geschielt. Manchmal auch zwei.
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Reportered

Die Reporter ist irgendwann in den 30ern geschnitten worden und Vorbild für die Reporter2, die in den letzten Jahren recht überstrapaziert erscheint. Trotz des Alters ein toller Schnitt und nötig für unseren "Agent der Realitäten", daher ein absoluter Nachbau von Grund auf.
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Schaier Signature

Die Signature ist die Handschrift des Doktors und gleichzeitig die einzige Handschrift eines Doktors überhaupt weltweit, die man auch lesen kann. Ein absolutes Unikat und absolut eigengebaut.
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Schaier Versalia

Die Versalia ist die Zierschrift der Signature und eher für Headlines und wenige Worte gedacht. Ist auch in der Signature enthalten, wenn man CapsLock-Perverser ist.
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Fear & Loathing

Ist der Nachbau des Plakatschriftzuges für Fear & Loathing in Las Vegas (Hunter S. Thompson, Ralph Steadman, Terry Gilliam), den wir für unsere OWL-Groteske "Fear & Loathing in Bielefeld" brauchten. Es gibt eine Steadmaneske, aber die sieht irgendwie anders aus.
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ID Tourism

Ist ein futuristischer Quatsch, wo ungefähr gar nix passt. Aber wen wundert`s, ist sie doch unser erster Versuch überhaupt gewesen, ohne den Umweg über den Online-Dienst PaintFont. Wo wir gerade bei Online-Diensten sind: FontSquirrel bietet einen Webfont-Generator, wo man allerdings deren Verschlimmbesserungen vor der Konvertierung abstellen und den trotz Nichthaken generierten ttf gleich rauskanten sollte.
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MAWNHNCT

Ist ein kyrillischer Font, der für unser Maschinist-Projekt gebraucht wurde. Weil das Eingabegebietsschema für Russisch die Buchstaben wild in der Gegend rum belegt und nix da ist, wo man es vermutet.
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CSI

Hier haben wir einen Schriftsatz, der vom CSI:Miami-Logo ausgehend designt wurde. Drei Buchstaben für ein Halleluja. Nein, das war gelogen. Hier haben wir zwei Schriftsätze in einem. Denn es sind alles Großbuchstaben. Schreibt man alles klein, sind sie trotzdem groß und dick, schreibt man alles groß, sind sie groß und höher/schmaler. Logisch, oder?
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CSI-Avantgarde

Ist ein Font, der sich an ein paar Buchstaben der CSI opening credits orientiert und für die Typo Design Startseite herhalten muss. Eine Granate im Bett.
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CSI NY

Ebenfalls an den opening credits orientiert, aber andere Baustelle, da von Staffel zu Staffel oder Ort zu Ort irgendwie anders.
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Cube

Der hier ist wieder was für Geometrie-Perverse und ein ganz dickes Ding. Der ist so bold, da kriegt jeder Drucker Toner-Ausbrüche.
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Der Rest ist Legende.


Werden wir ob der Probleme jetzt das Handtuch werfen?


Selbstverständlich.

Aber Schriften werden wir trotzdem weiter schneiden. Hin und wieder Duschen kann aber ja nicht schaden.