Wie man kriegt, was man verdient

 

Wenn man Windows 10 will, hat man es aber wahrscheinlich auch nicht besser verdient. Dreimal musste ich die verschiedenen dummdreisten redmonder "Überzeugungsversuche" von meinem richtigen Rechner kratzen, bis Windows 7 Pro und ich endlich wieder in Frieden ruhen konnten.

 

Auf meinem Experimentalrechner (Hardware dafür tauglich, kein Virenscanner aktiv, 800 Gig freier Speicher, frisches Werksimage Windows 7 Professional) nun will ich es. Fragt nicht.

 

Fehler Nr. 1: Ich will es.

 

Fehler Nr. 2: Ich weiß jetzt noch nicht, dass man sich den Tag inzwischen auch per ISO, durch normales Windows-Update oder per Media Creation Tool versauen kann und entscheide mich für den Windows-10-Upgrade-Assistenten.

 

Fehler Nr. 3: Ich verabscheue die Telekom für ihre Kleinkunst zutiefst. Alle anderen Provider natürlich auch, aber halt nicht so, daher hab` ich hier nur `ne 2000er Leitung.

 

Montagnacht, 1 Uhr: Der Assistent wird vorsätzlich runtergeladen, 13 MB, erste Tasse Kaffee, Doppelklick. Windows 10 wird heruntergeladen. Unter c: entsteht der Ordner Windows10Upgrade.

 

Montagnacht, zwei Stunden und eine Tasse Kakao später: Der Assistent ist bei 4 Prozent.

 

Ich verabschiede mich von meinem bisherigen Leben und gehe sicherheitshalber ins Bett.

 

Dienstagmorgen, 6 Uhr: Leider sei ein Fehler aufgetreten. Ich stoße den Assistenten erneut an. Er startet bei 40% und läuft weiter. Im Ordner Windows10Upgrade materialisiert sich nach und nach eine kryptisch benamte esd-Datei.

 

Dienstagmittag, 12 Uhr: Der Download schien geklappt zu haben, die kryptische Datei ist mittlerweile dreikommairgendwas GB groß, der Assistent installiert angeblich Windows, erzeugt unter c: die unsichtbaren Ordner $GetCurrent und $Windows.~BT und hängt sich für immer bei 99% auf, nachdem er Windows-Update geöffnet hat, denn

 

Fehler Nr. 4: Ich habe vergessen, nur noch schnell vorher die wichtigen 151 Updates für Windows 7 zu installieren, was nochmal 800 MB, 3 Stunden und zwei Liter Kaffee dauert. Nach dem Neustart durch die Updates sind Fenster des Assistenten und die kryptischen 3 GB verschwunden und tauchen nie wieder auf.

 

3 GB Traffic für`n Arsch, die zwei unsichtbaren Ordner nebst Hirn leer. Mein Zeigefinger zuckt.

 

Der Assistent fängt an, erneut die 3 GB runterzuladen. Fünf Minuten später meldet Windows, dass 7 wichtige neue Updates vorhanden seien. Das Internet behauptet, man müsse für das Upgrade erst alle Updates einspielen und die Einstellung auf automatischen Download plus automatische Installation weiterer Updates stellen. Eines der Updates ist der Internet Explorer 11. Wichtig, wo ich doch durch das Upgrade den neuen Edge-Browser mitgeliefert kriege.

 

120 MB später: Nach zwanzigminütigem dreimaligem Neustart wegen der Updates ist der angefangene Download wieder entschwunden. Ich ermahne den Assistenten erneut zur Arbeit und mich zur Ruhe, werde aber harsch von Windows unterbrochen, denn es seien 3 wichtige Updates verfügbar, die umgehend installiert sein wollen. Darunter ein wichtiges Sicherheitsupdate für Internet Explorer 9, dass ich wirklich dringend brauche, da ich ja gerade eben erst Explorer 11 runtergeladen und installiert habe.

 

Ich fange an, Selbstgespräche zu führen. Bedenkliche. Wen man denn hier eigentlich verarschen wolle, etc.

 

Ich bin mittlerweile 43 Jahre alt.

 

Gut, das war ich vor dem Download auch schon, aber das soll auch nur darauf hinweisen, dass ich intensiv innen und außen mit Computern zu tun habe, seit ich denken kann. Gut, das mit dem Denken habe ich vielleicht die Jugendjahre hindurch etwas vernachlässigt, aber ich habe mehr Rechner zusammengeschraubt, aufgesetzt und Daten von fremder Leute kaputten Festplatten gekratzt, als irgendwer, den ich kenne.

 

Dienstagabend: Die 3 GB sind mal wieder auf der Platte, mein Kaffeepensum übererfüllt, der Download durch Windows verifiziert und Windows fängt mal wieder mit der Installation an, wobei die 3 GB-esd-Datei in irgendeinem Prozess verschwindet und dadurch die beiden unsichtbaren Ordner langsam befüllt. Ich befülle mich auch.

 

Dreikommairgendwas GB landen im $GetCurrent-Ordner, 1 GB im $Windows-Ordner und ein Schoko-Nuss-Cappuccino mit Chocomel in mir.

 

Bei 78% geht der Assistent ohne Fehlermeldung ansatzlos dazu über, die 3 GB erneut downloaden zu wollen. Alle unsichtbaren Ordner und mein Blick leer. Die Endlosschleife des Todes.

 

Dann kriege ich dieses leicht irre Funkeln in den Augen und werde ins Bett geschickt.

 

Mittwochmorgen, 6 Uhr: Leider sei ein Fehler aufgetreten, man befinde sich bei 20% und so weiter. Auf dem Weg zum Kaffee schreie ich den Assistenten an, er solle mich am Arsch lecken und gefälligst machen, dass er fertig wird.

 

Bei 98% ziehe ich das LAN-Kabel.

 

Ich beende den Assistenten, kopiere die fast fertige 3 GB-esd-Datei an einen sicheren Ort und tanke auf. Aus reinem Masochismus lösche ich die fast fertig gedownloadete originale 3 GB-esd-Datei aus dem Windows10Upgrade-Ordner, um zu sehen, ob mir die vorher kopierten 98% fürderhin ohne nochmaligen Download zur Verfügung stünden.

 

Ich kopiere also die Datei zurück in den Windows10Upgrade-Ordner, rauche eine und verfluche dabei lautstark Bill Gates, dessen Eltern und die Eltern der Eltern und alle seine verdammten Assistenten, lebendig oder tot.

 

Der Download wird nach Einstöpselung des LAN-Kabels klaglos bei 98% wieder aufgenommen und zieht durch. Verifizierung erfolgreich, Installation startet. Was, nebenbei bemerkt, noch lange nichts mit dem richtigen Setup zu tun hat.

 

Ich ziehe das LAN-Kabel. Zur Sicherheit.

 

Die esd-Datei verschwindet, die unsichtbaren Ordner werden befüllt. Und das in (im Vergleich zum Online-sein-währenddessen) atemberaubender Geschwindigkeit.

 

Bei 72% kopiere ich aus reinem Selbsterhaltungstrieb den $GetCurrent-Ordner mit seinen 3,4 GB an einen sicheren Ort, weil darin verdächtige Sachen stehen wie z.B. ein Setup-Programm, das ich einfach mal so als "vermutlich das Windows10-Setup" einstufe.

 

Keine Sekunde zu früh, denn 2% später ist schon wieder alles vorbei. Die unsichtbaren Ordner leer, die 3 GB futschikato und der Assistent würde gerne wieder die 3 GB downloaden.

 

In Gedanken gehe ich vorhandene Hieb- und Stichwerkzeuge durch, einige mich im Stillen auf den Hammer und mache dann etwas wirklich sehr sehr Dummes.

 

Das allerdings mit voller Absicht. Denn es ist Mittwochmittag und ich stehe kurz vor Mord.

 

Ich kopiere den in Sicherheit gebrachten, fast fertigen $GetCurrent-Ordner in c:, lasse den Herrgott einen guten Mann sein, rauche 2 Kaffee, trinke 3 Zigaretten und doppelklicke dann das ominöse Setup.

 

Was soll ich sagen.

 

Der Bildschirm wird schwarz. In großen Lettern wird plötzlich das Windows-10-Upgrade versprochen, eine riesige Prozentanzeige startet, darunter 3 abzuarbeitende Punkte:

 

Punkt 1, Dateien kopieren, läuft ohne Fehlermeldung, nicht aber ohne Kaffee, bis zu 100% durch, der Rechner startet neu.

 

Dann das Wunder: Punkt 2, Features und Treiber installieren, läuft ohne Fehlermeldung und ohne Kaffee durch, der Rechner startet neu.

 

Punkt 3, Konfiguration, läuft ohne Fehlermeldung durch, aber mit Zigarette (Gäste-Klo). Neustart und ob ich automatisch konfigurieren lassen will oder sehen und festlegen, was ich mir da antun soll.

 

Ich will sehen.

 

Alter Poker-Spieler. Außerdem: Auf Fehler Nr. 5 habe ich schon lange keinen Bock mehr.

 

Es stehen gefühlte 30 Features zur Auswahl, die ich ausnahmslos blockiere. Wer das nicht tut und auf die Automatik setzt, wird sich vermutlich später wundern, warum die Tittenfilme Katzenfilme überhaupt nicht laden und sich das Internet generell irgendwie so anfühlt, als sei es kaputt.

 

Wo soll denn da aber auch noch Bandbreite für über sein, wenn dieses ganze Gedöns alle Nase lang wegen jedem Scheiß nach Hause telefoniert und auch noch irgendwelche Daten neben all unseren schmutzigen Geheimnissen in der Weltgeschichte rumposaunt?

 

Ich verrate jetzt was: Das Internet ist tatsächlich kaputt. Aber das tut hier nichts zur Sache.

 

Zwei Kaffee und einen Neustart später habe ich Windows 10 Pro.

 

Wahrscheinlich.

 

Ich weiß nicht, ob ich Windows 10 und alle seine relevanten Dateien auf meinem System habe. Ich weiß nicht, ob ich genug Dateien habe, um im Notfall ein Rollback auf mein altes Windows-7-System durchziehen zu können.

 

Und es ist mir scheißegal.

 

Denn ich habe Linux in der Schublade. Windows 10 startet jedenfalls ohne Fehlermeldung und alles scheint an seinem Platz und zu funktionieren. Jedenfalls so, wie es halt funktioniert, wenn so ein zusammengeschluderter Scheißdreck released wird.

 

Ein Scheißdreck, der allerdings recht zügig hochfährt.

 

Nachdem ich den Edge-Browser seiner Spionagetätigkeiten entbunden, Werbung und Cortana beseitigt und alle Windows-Updates mittelgut eingefroren habe, außer den nicht abstellbaren wichtigen natürlich, muss ich mich nur noch durch die Datenschutz-Einstellungen wühlen, wo nochmal ein ganzer Arsch voll Schweinereien der Abschaltung harrt.

 

Hier gilt nur Opt-out.

 

Und das sollte man sich als Brett vor den Kopf nageln, bevor man überhaupt diesen ganzen Wahnsinn auch nur zum Spaß in Erwägung zieht. Aber warum sollte man.

 

Weil: 300 Millionen Installateure können nicht irren! Behaupten zumindest die redmonder Insassen. Vielleicht haben die sich aber auch einfach nur mal wieder vertan und meinten "300 Millionen Irre haben`s installieren können."

 

Fest steht nur eins: Wir werden es nie erfahren, denn mit 300 Millionen Trümmern kann man schlecht eine Warnung an die Außenwelt absetzen.

 

ACHTUNG: Im wirklichen Leben zieht man selbstverständlich nie nie nie den LAN-Stecker, wenn es der Fortbestand des eigenen geistigen Unvermögens nicht unmittelbar fordert, oder

geht so ein Risiko ein und führt möglicherweise unvollständige oder fehlerhafte Installations- oder Setup-Dateien aus.

 

Wie zum Beispiel den Windows-10-Upgrade-Assistenten.